Genius Loci
Das nähere Umfeld der KulturBotschaft hat die größte Dichte an UNESCO-Weltkulturerbestätten weltweit, sie strotzt vor kulturellem Reichtum!
Der Genius Loci oder "Geist des Ortes" ist ein sehr alter, traditionsreicher Begriff, der seinen Ursprung in der Antike hat. Geprägt wurde der Begriff von den Römern. "Genius" lässt sich vom lateinischen genere/genus (erzeugen) ableiten und bedeutet in diesem Zusammenhang soviel wie "der/das Zeugende" bzw. "der/das jenige der/das erzeugt". Gemeint ist damit ein im Menschen wohnendes göttliches unsterbliches Wesen bzw. ein begleitender oder schützender Geist, der den Menschen in seinem Charakter und Handeln definiert.
Erst später wurde aus dem charakterbildenden Genius der ortsbezogene Genius:
Mit Beginn der Neuzeit bzw. der Industrialisierung, fanden die Genien als Zierrat und Ornament auf Stuckaturen von Jugendstil- und Bürgerhäusern Einzug in die Architektur der Städte, bis der allen Zierrat verachtende Bauhaus-Stil alles "Beiwerk" aus seiner Architektur verbannte...
Der Genius Loci der KulturBotschaft öffnet das Tor zur Vergangenheit.
Anhalt & Wittenberg: Wiege der Auflärung, „Bedeutungsort des Christentums“, Pilgerstätte und nationales Symbol
Wittenberg, erstmals 1183 urkundlich ewähnt, Sitz der Askanier, später der Wettiner, seit Ende des 15. Jahrhunderts kurfürstliche Residenz Friedrichs des Weisen.
Es gibt etwas Hervorragendes in Dessau, eingebettet in die Region Anhalt, das ist die Aufklärung in verschiedenen Formen und zu unterschiedlichen Zeiten. Von der Aufklärung ist die Kultur dieses Landstriches geprägt worden. Hier ist die Beziehung des Menschen zu seiner MitweltDie Erziehung der Menschen zu Gerechtigkeit und Hifsbereitschaft Die Religiosität wird zum praktischen Handeln (Reformation). Sie wird sogar zum Toleranzedikt gegenüber Andersgläubigen. Eike von Repgow (Sachsenspiegel) 1190-1233, Martin Luther 1483-1546, Johann Gottfried Schnabel (Insel Felsenburg) 1692-1760, die Reformpädagogen der Franzzeit um Johann Bernhard Basedow 1724-1790 und Johann Christian Friedrich GutsMuths 1759-1839, Moses Mendelsohn 1729-1800 (vgl. Nähe zu Lessing Hobbes Locke Berkeley Hume Smith Voltaire Rousseau), Anhaltisches Landestheater und Vorläufer, hier auch die Werke der Diakonie und die Krankenhäuser, im erweiterten Sinne die Pharmazie., UmweltDie Abhängigkeit von Natürlichem und Künstlichem. Die Natur wird bereichert durch das Streben nach Sinn, Nutzen und Nachhaltigkeit (Reformwerk unter Fürst Franz). Umweltschutz. Leopold Friedrich Franz 1740-1817, Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff 1736-1800, die Gärtner, Hubert Hoffmann, Leberecht Migge, Reformer der Wirtschaft, die Reformer der Landwirtschaft, Samuel Hahnemann, Die Fruchtbringende Gesellschaft, das Umweltbundesamt, die Kulturstiftung DessauWörlitz, das Unesco-Biosphärenreservat Mittelelbe und Dingwelt Die Vermittlung von Kunst, Handwerk und Technik. Die Künste werden in den Dienst der Dinge gestellt. Sachlichkeit prägt Handwerk und Technik (Moderne und Industrialisierung). Gestaltungslehre. Bauhaus Architekten und Direktoren Walter Gropius, Hannes Meyer, Mies van der Rohe, Max Bill, Ernst Neufert, die Bauhaus Maler, die Bauhaus Designer und Gestalter der neuen Medien, die Bauhausbühne, auch zeitlich vor dem Bauhaus die Kunstgewerbeschule in Dessau, die traditionsreiche Bauschule in Köthen und nun die Hochschule Anhalt (FH), Walter Rathenaus Energie Chemie Verbund Mitteldeutschland, Hugo Junkers und seine Konstrukteure, Wilhelm Oechelhaeuser, die sich neu etablierende Industrie im Raum Bitterfeld-Wolfen. durch das Wirken bedeutender Bürger verändert worden. Die großen aufklärerischen Themen der Menschheit könnten als Markenzeichen gelten: die Loslösung des Menschen von Bevormundung konfessioneller Intoleranz, die Befreiung der Sachwelt aus falschem Schein und akademischen Zwängen, der Einigungsversuch von Kultur und Natur.
Historisch betrachtet scheint die "Lutherstadt" Wittenberg ein idealer Standort für die Initiierung eines interreligiösen und interkulturellen Dialogs. Die Reformatoren Philipp Melanchthon, Martin Luther, Katharina von Bora und die Cranachs - aber auch der "historische" Dr. Faustus„Ich hab einen gekennet / mit nammen Faustus von Kundling (ist ein kleines stettlein / nicht weit von meinem Vatterland) derselbige da er zu Crockaw in die Schul gieng / da hatte er die Zauberey gelernet / wie man sie dann vor zeiten an dem ort sehr gebraucht / auch öffentlich solche kunst geleeret hat. Er gieng hin und wider allenthalben / und sagte viel verborgene ding.“ – Philipp Melanchthon, Thomas Müntzer, Gotthold Ephraim Lessing, Giordano Bruno„Jeder Mensch ist sein eigener Mittelpunkt“, Novalis, Anton Wilhelm Amo (erster Professor afrikanischer Herkunft) - und viele andere mehr haben Wittenberg als kulturelles Welterbe geprägt. Die Stadt Wittenberg ist einer der welthistorisch bedeutsamsten Orte in Deutschland. Wittenberg ist eine kleine Stadt, allerdings reicht ihr Horizont weit über den einer typischen Kleinstadt hinaus. Wittenberg ist „Bedeutungsort des Christentums“, Pilgerstätte und nationales Symbol.
Gleichzeitig steht die Stadt in der neuesten Geschichte im Spannungsfeld von Ideologien und Diskussionen um die Entwicklung der Neuen BundesländerWas tun, wenn von den 9000 Beschäftigten des ehemaligen VEB Stickstoffwerk Piesteritz 8300 "abgewickelt" wurden? Was tun, wenn es den VEB Gummiwerk Elbe, den VEB Haushaltschemie Wittol, den VEB Maschinen- und Mühlenbau, den VEB Apparate- und Chemieanlagenbau, den VEB Blechwaren, den VEB Waschmittel, den VEB Dauerbackwaren Wikana, den VEB Kindermoden und den VEB Leuchten nicht mehr gibt? Man besinnt sich auf die Geschichte dieser Stadt und die sie prägenden Persönlichkeiten, Martin Luther, Friedrich der Weise, Lucas Cranach, Philipp Melanchthon, Gotthold Ephraim Lessing, Giordano Bruno, und setzt auf "prominente Gäste".... Kulturgeschichtlich betrachtet ist Wittenberg ein Mythos, dessen Erzählung es fortlaufend zu untersuchen und zu hinterfragen gilt.
Im „Mikrokosmos Wittenberg“ soll das soziale Klima durch Förderung der Teilhabe, Chancengleichheit und soziale Integration verbessert werden. Touristen kommen in Kontakt mit Einheimischen, Familien mit Senioren, alteingesessene WittenbergerInnen mit Zugezogenen und Vorbeiziehenden.
Jüdenstr. 5: Historischer Kontext und Blick in die Vergangenheit. Eine mystische Spurensuche
Das Stammhaus der KulturBotschaft befindet sich in der heutigen Jüdenstraße 5 (1431 "Jodenstraße", 1507 "Judiacus vicus" genannt), im „Jüdenviertel“ zentral an der Stadtkirche, in nächster Nähe der Kanzel von der Luther predigte. Mit seinem historischen Kontext bietet das Grundstück eine besondere Möglichkeit zur Erforschung und Erfahrbarkeit unserer kulturellen Herkunft.
Im Erdgeschoss befindet sich die ehemalige Buchhandlung und Verlag „Max Senf“.***
Die Buchhandlung kann als Veranstaltungsraum genutzt werden. Der Laden wird in seinen historischen Kontext gesetzt und nach mehreren Jahren des Leerstands und anderer Nutzung als Ort des geistigen Austauschs wiederbelebt. Ein großer Garten und Hof laden zu Projekten und Treffen ein. Das Max-Senf-Haus wird Projekthaus, ständige Vertretung der kulturellen Szenen Berlins, Leipzigs, der Partnerstädte und der Welt. Dieser zentrale „Kraftplatz“ im Jüdenviertel, zwischen zwei christlichen Kirchen und der ehemaligen Sternwarte gelegen, erlaubt ein Anknüpfen an Geschichte und verdeutlicht, wie diese unser Leben im Hier und Jetzt prägt.
Das Grundstück hat konstituierende Bedeutung für den Denkmalbereich der Altstadt Wittenberg. Bereits im ausgehenden 13. Jahrhundert gab es hier eine Bebauung. Nur wenige Meter entfernt steht die Stadtkirche Sankt Marien mit dem geschichtsträchtigen Sandsteinrelief einer „Judensau“, ein stummer Schrei nach einem jüdisch-christlichen Dialog.
Die Beschäftigung mit Haus und Grundstück öffnet den Weg in die Geschichte und die Zukunft. Wie sah das Haus aus, das während des siebenjährigen Krieges zerstört wurde? Wer wohnte hier und welche Ereignisse haben sich hier zugetragen (auch vor und nach dem Wirken der Reformatoren)? Welche Geheimnisse birgt das Grundstück?
"Schlüsselfigur" bei unserer (spirituellen) Spurensuche ist die Bürgermeisterfamilie Krapp*, welcher das Grundstück Anfang des 16. Jahrhunderts gehörte. Cranach und Luther gingen ein und aus – und Philipp Melanchthon, „Lehrer Deutschlands“, feierte hier am 26. November 1520 Hochzeit mit Katharina, Tochter des Bürgermeisters Hans Krapp. Ihr Bruder Hieronymus Krapp war Gewandschneider Luthers. Mit dem Maler Hans Döring und dem Verleger und Buchdrucker Christian Döring **, Mitarbeiter Cranachs begegnen uns weitere Zeugen der Geschichtsträchtigkeit des Ortes.
* Die Familie Krapp
Die Krapps waren eine in Wittenberg sehr angesehene Familie. Katharina heiratete Philipp Melanchthon im Jahr 1520 im Alter von 23 Jahren. Die beiden hatten zusammen zwei Söhne und zwei Töchter. Leider ist kein Bild oder Briefwechsel von Katharina Melanchthon selbst erhalten. Philipp Melanchthon sagte man nach, er sei mit der Wissenschaft verheiratet. Die Ehe habe er nur widerwillig und auf Drängen seines Freundes Luther auf sich genommen [vgl. Rhein, Stefan:"Catharina magistri Philippi Melanchthonis Ehelich weib", in: Evangelisches Predigerseminar (Hg.): Frauen mischen sich ein. Wittenberger Sonntagsvorlesungen. Wittenberg 1995, S. 37-54/ 38]. Er hatte Angst davor, eine Ehe könne ihn von seinen Studien abhalten. Katharina brachte nur eine kleine Mitgift in die Ehe mit. Melanchthon verdiente ausreichend durch eine Professur an der Wittenberger Universität. Beide waren nicht sonderlich attraktive Menschen. Er klein und schmächtig, sie “von mäßigem Aussehen“ [ebd. S. 39], wie ein Student der Wittenberger Universität bezeugte. Eheschließungen dienten damals meistens schlicht der Versorgung. Für eine Frau war die Ehe die einzige Alternative zum Kloster, um sich finanziell abzusichern. Liebesehen waren die Ausnahme. Doch war der Start in diese Ehe wohl besonders unglücklich. In Briefen an Freunde klagte Melanchthon, die Ehe sei eine von Gott geschickte Knechtschaft. Wie sich seine junge Frau in dieser Zeit gefühlt haben mag, kann man nur vermuten. Mit der Zeit wurde das Zusammenleben wohl erträglicher und wandelte sich zum Guten, wie wir aus Briefen wissen [vgl. ebd., S. 43]. Der Lebensalltag war sehr schlicht. Die Familie lebte in einer „Bude“, die sie mit dem Gesinde, Pflegekindern und wechselnden Hausschülern Melanchthons teilten. Katharina sorgte für Haus und Garten, erzog die Kinder und heilte die Kranken. Im Vergleich zu Luthers Lebensstandard waren die Melanchthons arm. Dieses soziale Gefälle verursachte zahlreiche Spannungen zwischen den beiden Frauen der Familien Melanchthon und Luther [vgl. ebd., S. 50ff.]. Katharina war zeitlebens von verschiedenen Krankheiten geplagt. Die ständigen Schmerzen ertrug sie Kraft innerer Ruhe und Glaubensstärke, wie Melanchthon bezeugt. Sie starb am 11.10.1557 im Alter von 60 Jahren.
** Christian Döring
Christian Döring wurde als Sohn eines Frankfurter Bürgers geboren. 1508 hatte er das Bürgerrecht in Berlin erworben und war bereits im selben Jahr mit Lucas Cranach der Ältere vom 15-18. Juni nach Altenburg gereist. In Wittenberg erwarb er das Haus Schlossstraße 4 von Christoph Balzer, das vor diesem ein Martin Münzer besessen hatte. 1519 tauchte er - bereits wohlhabend - in den Wittenberger Akten auf und besaß ein stattliches Wohnhaus, mit Viehställen und weiteren Wirtschaftsgebäuden. Dort beschäftigte er als Goldschmied (deswegen erscheint er in den Akten als Aurifaber) einen Meisterknecht. Umtriebig in der Geldbeschaffung intensivierte er große Energie in den Handel. Gemeinsam mit Lucas Cranach dem Älteren gründete er eine Druckerei und gab als erstes Exemplar Martin Luthers Neues Testament im September 1522 heraus, bald waren auch Nachfolgeexemplare schnell vergriffen und brachten erheblichen Gewinn. Nachdem 1523 Cranach und Döring das kurfürstliche Druckerprivileg erworben hatte, zog sich Cranach aus dem Geschäft zurück und Döring übernahm dessen Anteile. Dennoch liefen die Geschäfte immer schlechter, so dass er 1533 vor dem Bankrott stand. Daraufhin verkaufte er am 22. Mai 1533 dem Wittenberger Druckkonsistorium, seine Privilegien für eine Summe von 800 Gulden und verschwindet nach April 1534 aus den Wittenberger Akten. Döring hatte sich als Stadtkämmerer auch für das Allgemeinwohl engagiert. Er korrespondierte mit vielen berühmten Persönlichkeiten seiner Zeit, so zum Beispiel mit Thomas Müntzer. Mit Martin Luther und Philipp Melanchthon war er befreundet und mit Johannes Bugenhagen durch Patenschaft verbunden. Auf Luthers Vermittlung heiratete er Barbara († 18. Mai 1564), eine Nachfahrin des Berliner Kaufmanns und Bürgermeisters Thomas von Blankenfelde († 1504). Aus dieser Ehe ist eine Tochter bekannt, die Johann Schneidewein ehelichte, der nach Christian Dörings Tod dessen Hausstand übernahm. Die Tochter Magarethe soll Georg Reich geheiratet haben, der 1538 ein Opfer des Hans Kohlhase wurde und am 21. oder 22. März 1560 in Wittenberg starb. Die Tochter Martha heiratete den Neffen Martin Luthers mit gleichen Namen. Ihre zweite Ehe ging sie mit dem Zwickauer Musiker Jodocus Schalreuter († 22. September 1550 in Magdeburg) ein. Obwohl ihn auch Bugenhagen finanziell unterstützt hatte, nahm Döring immer wieder neue Schulden auf. Luther äußerte nach seinen Tischreden, dass solchen Leuten wie Meister Döring „nit zu helffen sey“, da sie trotz aller Hilfe in immer mehr Schulden hinein kommen.
*** Max Senf wuchs als Sohn des Schneidermeisters Friedrich Wilhelm Senf und dessen Ehefrau Elisabeth, geb. Spohn, in Salzwedel auf. Nach dem frühen Tod der Mutter im Jahr 1872 zog die Familie wohl bald nach Schönebeck (Elbe) um. Vermutlich bestand zu dem dort ansässigen Stadtrat und Buchhändler Otto Senff eine verwandtschaftliche Beziehung. Zu welchem Zeitpunkt und an welchem Ort Max Senf seine Ausbildung zum Buchbinder machte, ist nicht bekannt. Um 1880 zog er nach Wittenberg und arbeitete als Buchbindergehilfe in der Werkstatt von Gustav Anton Franziskus, der jedoch Ende 1882 verstarb. Die Buchbinderwerkstatt in der Jüdenstraße 6 wurde zunächst von dessen Witwe Amalie Wilhelmine Elisabeth, geb. Neumann, vermutlich mit Unterstützung von Max Senf fortgeführt. Am 6. Dezember 1888 heiratete Max Senf die Witwe und führte nach Erhalt seines Meistertitels die Werkstatt erfolgreich weiter. Am 29. Oktober 1890 wurde Sohn Otto Max geboren, der sich später Max Senf Junior nannte. Spätestens seit 1891 wohnte Max Senf mit seiner Familie in dem Haus in der Jüdenstraße 5, welches er samt Grundstück mit Nebengebäuden und Garten im September 1895 gekauft hatte. Dort betrieb er unter dem Namen „Firma Senf“ neben der Buchbinder-Werkstatt nun zusätzlich einen Verlag sowie einen Verkaufsladen für Papier- und Tapetenwaren. Max Senf verstarb nach längerer Krankheit am 12. November 1926.